Kuratiert von
Uwe Sujata
Johann Caspar Rüegg
3 Minuten Lesezeit
11 Feb
11Feb

Black-out! So mancher Student kennt dieses Gefühl aus einer mündlichen Prüfung: Plötzlich versagt das Gedächtnis, das gespeicherte  Wissen kann nicht abgerufen werden. Warum sich Menschen in Stress-Situationen – etwa  als Zeugen vor Gericht oder im Vorstellungsgespräch – auf einmal nicht mehr richtig erinnern können.

Schuld hat offenbar ein Hormon namens Kortisol, das in einer Stress Situation vermehrt von den Drüsenzellen der Nebennieren ins Blut abgegeben wird und so auch ins Gehirn gelangt.

Stress blockiert offenbar mittels des Stresshormons Kortisol das Abrufen von Wissen aus dem so genannten „deklarativen“ Gedächtnis, in dem semantisches (verbal kodiertes) Wissen, aber auch vergangene Episoden, Erinnerungen an erlebte Ereignisse,  gespeichert sind.

Hingegen werden das Kurzzeitgedächtnis und der eigentliche Lernvorgang, die Abspeicherung des Gelernten im Langzeitgedächtnis, durch Kortisol nicht gehemmt. Dies zeigten entsprechende Kontrollversuche. 

Das Versagen der Gedächtnisfunktion kann, gerade bei älteren Arbeitnehmern mit  einem altersbedingt erhöhten Kortisolblutspiegel, verheerende Folgen haben, die zu einem Teufelskreis führen, bei dem oft nicht klar ist, wo er seinen Ausgang nimmt, was also Ursache und was Folge ist. Diese Menschen fühlen sich infolge ihrer Gedächtnisschwäche unter Termindruck „gestresst“ und der beruflichen Belastung nicht mehr richtig gewachsen; aber gerade dadurch wird nun noch mehr Kortisol in den Blutkreislauf ausgestoßen und das Erinnerungsvermögen abermals geschwächt. So vergessen sie Termine und Namen, machen Fehler und bekommen daher Angst, „es nicht mehr zu schaffen“. Der chronische, „psychosomatisch“ krank machende Stress ist dann vorprogrammiert. 

Der Einfluss von Stress und Kortisol auf unser Erinnerungsvermögen ist ein gutes  Beispiel dafür, wie eng das Mentale und das Biologische, also körperliche  Prozesse, etwa der Hormonausstoß aus den Nebennieren, miteinander zusammenhängen und sich wechselseitig bedingen. Körper-seelische Zusammenhänge dieser Art sind aber nicht nur aus der Hormonlehre (Psychoendokrinologie), sondern auch aus der Stressforschung und Immunologie bekannt; sie sind sowohl psychosomatischer als auch somatopsychischer Art. Man denke z.B. an das Gebiet der Psychoneuroimmunologie. 

Wie sehr können aber auch körperliche  Schmerzen, die Funktion des Herzens, die Atmung und unsere Verdauung von unserer seelischen Befindlichkeit abhängen. Da sich Körper und Psyche gegenseitig beeinflussen, verhalten sich biologische und psychosoziale Betrachtungsweisen komplementär. 

Sowohl die biologische als auch die personale bzw. soziopsychologische Ebene sind gleichermaßen wichtig für das Verständnis der Körper-Seele-Beziehung.

Mentale und neuronale Aktivitäten des Gehirns sind – wie mit bildgebenden Verfahren (PET / fMRI)  gezeigt wurde – untrennbar miteinander verbunden. Universität Zürich: Studie zu Gehirn-Konnektivität in zwei verschiedenen Hypnosezuständen veröffentlicht.

Unser bei weitem komplexestes Organ enthält fast 100 Milliarden Nervenzellen (Neuronen), von denen jede über etwa 10'000 Synapsen mit jeweils anderen Neuronen verknüpft ist, sodass unzählige neuronale Netzwerke gebildet werden. Diese Netzwerke sind jedoch nach der Geburt noch nicht fertig. So können frühkindliche Erfahrungen  in der neuronalen Struktur des Gehirns verankert werden und noch lange danach – auch  im Erwachsenenalter – die psychischen Reaktionsweisen beeinflussen, etwa die Art und  Weise, in welcher der Erwachsene mit Stress umgeht, oder seine Bereitschaft, auf Belastungen mit psychosomatischen Erkrankungen zu reagieren. 

Um es auf den Punkt zu bringen: Erfahrungen, die wir als Kinder machen, werden zur Struktur des Gehirns. 

Die neuronalen Strukturen des Gehirns bleiben nämlich während des ganzen Lebens plastisch (neuronale Plastizität). Nicht nur durch traumatische Erfahrungen, die sich im Gedächtnis verankern, sondern auch durch zwischenmenschliche Kommunikation kann die Effektivität der synaptischen Verschaltungen der Neurone modifiziert werden. Damit wird nun aber auch vorstellbar, dass psychotherapeutische Therapien und insbesondere die Hypnosetherapie über die Bearbeitung erlittener traumatischer Erfahrungen die Strukturen neuronaler Netzwerke umstrukturieren. 

Kognitive Interventionen – Wörter, Hypnose, aber auch eigene Gedanken –  können offenbar die Struktur solcher Netzwerke verändern und  auf diese Weise nachhaltig auf somatischen Vorgänge einwirken, nämlich chronischer Schmerz, gewisse Herz-Kreislauf-Erkrankungen, funktionelle Magen-Darmleiden sowie Störungen im Hormonhaushalt und all solche Phänomene, die in das Gebiet Psychoneuroimmunologie einzuordnen sind. Das ist, kurz gesagt, die Botschaft.


Johann Caspar Rüegg und Uwe Sujata im Gespräch

Johann Caspar Rüegg und Uwe Sujata im Gespräch


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