Roland Wiederkehr
Tages-Anzeiger
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06 Jun
06Jun

Früher reisten die besten Tennisspieler:innen allenfalls mit einem Coach oder den Eltern um die Welt. Dann kamen Manager dazu, Physiotherapeuten, Fitnesstrainer, Ärztinnen. Und jetzt tut sich ein neues Feld auf, in dem Hilfe angeboten wird - für die «mentale Gesundheit», auf der Frauentour gerade das Schlagwort der Stunde....

Was sich im Kopf abspielt, ist ein sehr wichtiger Teil und hat auch einen grossen Einfluss auf das, was auf dem Platz passiert», ist sich Jil Teichmann bewusst. 

Mit Haupttrainer Alberto Martin, der nach seiner Karriere Sportpsychologie studierte, spricht sie «nicht nur über Vorhand, Rückhand und Stoppball», sondern auch über Mentales. Zudem arbeitet sie seit einem Jahr in Spanien mit einer Psychologin. 

Dabei geht es nicht nur um Tennis, sondern auch um die Person Jil, sagt sie. Es ist auch wichtig, dass man sich menschlich entwickelt und sich versteht. Denn hier gibt es viele Parallelen zum Tennis.

Belinda Bencic ist sich der Bedeutung der mentalen Gesundheit und Stärke bewusst. «Es wird zwar erst jetzt thematisiert, aber ich habe schon seit vier, fünf Jahren jemanden, der mich mental betreut», sagte sie nach dem Vorstoss in Runde 3. 

Das haben inzwischen fast alle Sportler. Das gehört zum Training: Wie Vorhand und Rückhand muss man auch den Kopf trainieren.

Wer die Frau sei, mit der sie arbeite, behalte sie für sich. Bencic sieht auch eine Gefahr darin, diesem Thema zu viel Bedeutung zuzumessen. 

Alles in allem versuche ich, alles zu normalisieren, nicht zu viel darüber nachzudenken. Aber man muss mental einfach für alles bereit sein.

Technik und Köpfchen

Doch auch bei den Männern sind psychische Belastungen ein Thema. Nicht wenige arbeiten mit eigenen Mentaltrainern. Der Amerikaner Mardy Fish war einer der ersten, der über seine Probleme sprach; daraus entstanden ist ein sehenswerter Netflix-Film («Breaking Point»).

Dominic Thiem und Stan Wawrinka sprachen nach ihrem ersten Grand-Slam-Titel beide davon, danach «in ein Loch gefallen» zu sein. Der Lausanner hatte kurz vor dem (gewonnenen) US-Open-Final gegen Novak Djokovic 2016 einen Zusammenbruch, brach in Tränen aus. Und der Australier Nick Kyrgios erwähnte in sozialen Netzwerken auch Selbstmordgedanken. 

Ich hatte schon Schwierigkeiten, aus dem Bett zu kommen, ganz zu schweigen davon, vor Millionen von Menschen zu spielen, schrieb er.

Der Kanadierin Bianca Andreescu erging es nach dem überraschenden US-Open-Sieg 2019 ähnlich wie Wawrinka. Sie hatte «das Gefühl, die Welt auf ihren Schultern zu tragen», und pausierte sechs Monate, um sich wieder zu finden. Iga Swiatek, die neue Nummer 1, sorgt sogar vor und reist permanent mit ihrer Mentaltrainerin Daria Abramowicz an Turniere.

Und wie wohl hat Rafa Nadal jetzt mit 36 Jahren schon wieder den Grand Slam in Paris gewonnen...?

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